Vertrauen. Wie ich meine Angst bezwang und den Sprung wagte.
Dieser Post ist Teil der Serie „Alltagsschnipsel”. Diese basiert auf der „21 days of writing journey” von Mike Dooley aka. the Universe talks und bei der jeden Tag ein neues Stichwort zum Nachdenken und Schreiben einlädt.
Das heutige Stichwort lautete Trust, also Vertrauen. Und dann war die Frage: Was ist der nächste Schritt, den du vor dir siehst? Im ersten Moment waren das für mich zwei vollkommen verschiedene Stichworte, die ich nicht so recht zusammen bringen konnte. Also entschied ich mich für Vertrauen. Das klingt schon so schön 🙂
Die Anekdote, die ich erzählen will, liegt inzwischen schon etwa 2 Jahre zurück, wenn nicht länger. Und tatsächlich hat sie sogar mit einem mutigen Schritt zu tun.
Es war das Ende eines heissen Sommers und der späte Nachmittag eines heissen und stickigen Tages in der Stadt. Mein Freund Daffy und ich hatten spontan beschlossen, dass wir dringend noch mal ins Wasser müssten an diesem Tag, um uns den klebrigen Staub von der Haut zu waschen. Für den See war es schon zu spät, also entschieden wir uns für’s Freibad um die Ecke. Erinnert ihr euch auch noch an die unbeschwerte Zeit, als man spontan ins Freibad gehen konnte, ohne sich vorher online ein Zeitfenster-Ticket zu kaufen?
Spontane Konfrontations-Therapie im Freibad
Naja, anyway … Es war voll und laut im Columbiabad, chaotisch und herrlich. Freibad at it’s best, I love it! Wir lagen faul auf unseren Handtüchern, die wir auf das letzte freie Stückchen Sonne gezwängt hatten, auf dem Beton zwischen Nichtschwimmer-Becken und dem Becken mit dem Sprungturm, direkt neben einem Stand von Radio NRJ, von wo aus ein DJ für zusätzliche Beschallung sorgt und eine junge Frau, wahrscheinlich eine Praktikantin, die Kinder zu allerlei ulkigen Spielen animierte. Die Luft war schwer von Chlor und Sonnencreme und Pommes Rot-Weiß. Immer wieder scholl ein müdes „Nicht vom Beckenrand springen” aus den Lautsprechern.
Daffy und ich beobachteten das Treiben. Besonders spannend war der Sprungturm. Daffy bemerkte beeindruckt, wie furchtlos sich die Kids – teilweise definitiv noch im Grundschulalter – vom 5er und auch vom 10er stürzten. Begleitet von Gejohle ihrer Freunde. Total crazy! Ich erinnerte mich an dieses eine Mal, als ich in der 4. Klasse im Schwimmunterricht vom 3er springen sollte und es einfach nicht konnte. Ewig stand ich da oben. Die Schwimmbaddecke erschien mir näher als das zu einem winzigen blauen Rechteck geschrumpfte Becken unter mir. Ich war wie festgefroren vor Angst und nach Minuten, die mir erschienen wie eine halbe Ewigkeit, stieg ich unverrichteter Dinge wieder vom Turm. Das 3er-Trauma. Kann man auch anders verstehen, aber wie so oft macht der Kontext die Musik … 😉
Ich hatte jedenfalls lange nicht mehr daran gedacht, doch jetzt erzählte ich Daffy davon. Kaum war ich fertig mit meiner Geschichte, da sahen wir uns an und platzten fast unisono hervor: „Dann muss ich jetzt springen! / Dann musst du jetzt springen!”
Now or never
Gesagt, getan. Schon standen wir als einzige Erwachsene in der Schlange – Daffy wollte aus Solidarität hinterher springen – die schnell schrumpfte. Bald war nur noch ein kleines Mädchen im rosa Bikini vor mir. Höchstens dritte Klasse, denke ich. Höchstens. Ich schaut über ihren Kopf hinweg zur Treppe und sah, dass der 3er gesperrt war. Damn! Dann musste es eben der 5er werden.
Jetzt war ich an der Reihe. Ich begann meinen Aufstieg. Höher und immer höher. Und dann stand ich auf der Plattform. Für alle, die noch nie auf einem 5er standen: ab dem 5er gibt es meistens kein Sprungbrett mehr, man steht dann auf einer Beton-Plattform und alles kommt einem wahnsinnig hoch vor … Wieder sah das Becken absurd klein und viel zu weit weg aus und da war auch wieder diese altbekannte, lange nicht gefühlte, völlig irrationale und gleichzeitig so starke Angst. Wie damals. Ich sah über das Schwimmbad, über die Liegewiesen … konnte man da hinten nicht schon die Erdkrümmung erahnen?
Ich sah, wie die Sonne langsam hinter den Bäumen verschwand und spürte den Wind auf meiner Haut, den man hier oben viel doller spürte als unten. Dann sah ich wieder hinab zum Becken. Ich wusste, wenn ich jetzt auch nur einen Moment länger stehenblieb ohne etwas zu tun, würde ich es wieder nicht packen, dann würde die irrationale Angst siegen.
Wovor hast du eigentlich Angst?
Wovor hatte ich denn eigentlich Angst? Was sollte schon passieren? „Es kann dir nichts passieren”, sagte ich mir, „alles, was du tun musst, ist einen Schritt ins Leere zu machen und zu vertrauen. Zu vertrauen, dass du zwar fällst, aber dass du gefangen wirst.” Ein Schritt ins Leere, so irre symbolisch.
Und schaltete ich einfach kurz meinen Kopf aus und machte den Schritt. Kerze vom 5er. Keine Pirouette, kein großes Tammtamm, noch nicht einmal großes Geschrei. Eigentlich hatte ich gedacht, dass ich bestimmt laut schreien würde, doch der Schrei ging eher nach innen.
Ich fiel und fiel und dann zerschnitt ich mit meinem Körper die Wasseroberfläche, tauchte ein und unter, mein Bikini flog in alle Richtungen. Ich zog ihn wieder zurecht, tauchte auf, schwamm an den Beckenrand und kletterte hinaus. Es war alles so schnell gegangen! Und doch hatte es sich angefühlt wie eine Ewigkeit. So viel war passiert, so viel war mir durch den Kopf gegangen, so viele Gedanken und Gefühle auf einmal, wild durcheinander. Es klingt vielleicht verrückt, aber dieser Moment hat mich verändert. Ich war nicht mehr dieselbe. Etwas war geschehen: Ich hatte mich dem Vertrauen hingegeben. Mit Haut und Haar. In einem Moment, in dem die (irrationale) Angst mich zu lähmen drohte, hatte ich mich entschieden, zu vertrauen und den nächsten Schritt zu tun.
Vertrauen statt Angst
Als auch Daffy wieder am Beckenrand ankam – seinen Sprung hatte ich komplett verpasst, so sehr war ich mit mir selbst beschäftigt – liefen wir Arm in Arm zurück zu unseren Handtüchern. Das Herz klopfte mir bis zum Hals und meine Knie schlotterten, doch ich fühlte mich unfassbar gut. Unbesiegbar und voller Zutrauen. In mich, ins Leben. Ich fühlte mich frei und unerschrocken. Und irgendwie wusste ich da schon, dass das ein Wendepunkt für mich sein würde, dass ich in Zukunft mutiger und voller Vertrauen weitere Schritte ins Ungewisse wagen würde.
Als wir auf dem Weg zu unserem Platz am Sprungturm vorbeikamen wurde der übrigens gerade vom Bademeister zugesperrt. Bald wäre Badeschluss. Schade. Ich wäre gern direkt noch einmal gesprungen, um das neue Gefühl zu festigen und die Angst noch deutlicher in ihre Schranken zu weisen. So musste ich die nächsten Schritte statt vom Turm im echten Leben wagen … Und so kam es auch.
Außerdem, wer weiß: wenn ich das nächste Mal an einem Sprungturm vorbeikomme, vielleicht schmeiß ich mich dann vom 10er … mit offenen Armen, lautem Kriegsgeheul, einem irren Blick im Gesicht und dem Herzen voller Vertrauen! 🙂

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